mardi 17 octobre 2017

Blaue Augen

Heute am frühen Morgen um fünf Uhr(auf dem Bauernhof kräht jetzt bestimmt der erste Hahn, die anderen folgen ihm noch lauter) die Nacht liegt im Nebel. Ich sehe nicht weiter als ca. fünf Meter vor meinen Füßen. Wie kleine Lichtpunkte sehe ich die beleuchteten Fenster auf der anderen Straßenseite. Anscheinend sind viele Nachbarn schon wach oder haben nicht geschlafen.

Am liebsten hätte ich mich im Bett umgedreht mich an ihn gekuschelt, mich in deiner Achselhöhle versteckt.




"Einen guten Start, dir Wirbelwind," murmelst du im Halbschlaf und küsst mich lange. Du bist so süß, wenn du mich im Halbschlaf küsst. Du scheinst im Kuss zu schlafen.
Noch einen Kuss und ich bin weg.
Ich habe Herzrasen wie verrückt. Was soll das denn jetzt?
Ich darf nicht denken, die Zeit ist knapp und ich fahre los.

Ich fahre wetterbedingt etwas langsamer und nach zwanzig Minuten war ich am Ziel.
Die verdammten Aufzüge lassen auf sich warten. Ich nehme die Treppe. Ich halte meinen Chip an den Sensor, die Tür geht auf, ich melde mich an. Sofort weiß ich wo ich hin muss und habe nur noch fünf Minuten Zeit um mich umzuziehen.

Blauer Montag. Ein Tag wo alles was schief gehen kann, auch schief geht.

Der Patient wird gerade vorbereitet. Der Sandmann nickt mir zu.
Der Orthopäde steht neben mir und wird mir assistieren.
Meine Nase ist sehr geruchsempfindlich und der Kollege ist bestimmt ein Kettenraucher. Und bestimmt hat er vor der OP noch eine geraucht.
Mir ist übel und ich hätte den gerne angeschriehen, er soll seine Zähne putzen.
Ich bin konzentriert. Zwei Stunden volle Konzentration. Meine Augen brennen. Sch... Raucher.
"Du stinkst wie eine Zigarettenfabrik." zische ich ihn im Waschraum an.
"Und du bist eine Zicke." sagte er gelassen.
Und schon war er wieder weg...rauchen.
Die OP - Nachbesprechung dauert 10 Minuten incl. Kaffeeorgie und Nebengeräsche mit Duft, weil es immer stinkende Ratten gibt die furzen(sich zu benehmen lernt man auf der Uni nicht) und Smalltalk.

Die OP -Schwester(Hessin) nahe dem Rentenalter mit einer großen hesischen Klappe kommt ins Besprechungszimmer mit einem Ordner und Tablet in den Händen.
"Lasst doch mal Frischluft an den Arsch!" schrie sie und öffnet beide Fenster.
Alle schmunzeln. Ich muss lachen und ich kann nicht mehr aufhören zu lachen.
Aber sie kennt ihre Pappenheimer, sie weiß genau wer ein Ferkel ist und sieht den Betreffenden böse an. Wenn Blicke töten könnten, wäre der Kollege jetzt mausetot.

Eine Stunde später war für mich eine PPPD - eine Resektion des Pankreaskopfes  bei einem fünfundvierzigjährigem Patienten geplant und die OP endete mit einer kompletten Resektion des Pankreas und einer Splenectomie.
Kein gutes Gefühl.

Um vierzehn Uhr sehe ich nach dem Zustand des Patienten und bespreche mit ihm seine Diagnose.
Deprimierend.
Ich sehe in müde blaue Augen und kann es nicht beschreiben, was ich sehe.
Ich erfahre tatsächlich etwas so Göttliches, etwas Tiefgründiges.
Wenn ich mit jemandem spreche, sehe ich ihn an, aber nicht in die Augen. Ich fixiere nicht die Augen, sondern das Gesicht.
Aber er bestand nur aus Augen.
Ich muss wegsehen, sonst muss ich weinen.
"Muss ich mich jetzt gleich entscheiden?"
"Nein, aber ind den nächsten zwei Tagen schon." Ich versuche zu erklären, dass er nicht so schnell aufgeben soll.
Er nickt. "Und wenn nicht?"
"Denken Sie nicht so."
Ich sehe nach seinem  PVVK
Er nimmt meine Hand. Ich wollte sie ihm schnell wegziehen.
"OK. Fangen Sie damit an wann Sie wollen."
Ich mache das nicht, das machen Kollegen. Onkologen.
Ja.

Ich werde immer sensibler.
Ich darf nicht weinen. Die Tränen regenen einfach. Draußen scheint die Sonne.
Ein wunderschöner Herbsttag. Die roten und gelben Blätter rascheln unter meinen Schritten.
Und durch das Laub sehen mich große blaue Augen an.





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